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Hamburger Abendblatt

DIE DIVA UND IHR NAZI-GELIEBTER

 
Sie war der Vamp vom Dienst bei der Ufa. Und mit Sicherheit nicht das verfolgte Unschuldslamm, als das sich Lida Baarová nach dem Krieg gern stilisierte. Nun führen Autor Oliver Reese und Regisseur Dusan David Parizek die Diva und ihren Nazi-Geliebten Joseph Goebbels für einen Theaterabend wieder zusammen. Das Prager Kammertheater gastiert nur heute im Malersaal des Schauspielhauses mit der dokumentarischen und intimen Variation über „internationale Beziehungen“. Die Aufführung mit in tschechischer Sprache mit deutscher Übertitelung.

Schon mit ihrem ersten deutschen Film „Barcarole“ 1934 an der Seite ihres zeitweiligen Lebenspartners Gustav Fröhlich stieg die als Ludmila Babková in der Tschechoslowakei geborene Schauspielerin zum Star der NS-Film-Industrie auf. Ihre Affäre mit Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels beendete abrupt die rasante Karriere der Leinwand-Verführerin. Vermutlich auf „höchsten Befehl“ des Führers 1938 wurde Baarová nicht mehr besetzt. Sie verließ Nazi-Deutschland und kehrte in ihre Heimatstadt Prag zurück.

In den Baarová-Interviews zeigen sich die Lebenslügen des Ufa-Stars
Der deutsche Autor und derzeitige Intendant des Frankfurter Schauspiels, Oliver Reese, und der tschechische Regisseur Dusan David Parizek begeben sich in ihrem dokumentarischen Theater „Goebbels/Baarová“ auf die Spuren des skandalösen Ns-Liebespaars. Reese hat auf der Grundlage von Goebbels Tagebüchern den 2005 in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin uraufgeführten „Goebbels“ - Monolog geschrieben. Reese zeichnet nüchtern dessen Weg vom verbitterten, in Selbst- und Welthass verstrickten Kunstkritiker zum Demagogen der Massen nach.

Parizek hat Reeses Text bearbeitet und übersetzt, konfrontiert ihn nun mit den vom ihm montierten Passagen aus Baarová-Interviews, in denen sich die Lebenslügen des Ufa-Stars offenbaren. Den „Fall Baarová“ betrachtet der Regisseur als exemplarisches Beispiel für ein tschechisches Einzelschicksal, das für ganze Generationen stehen kann. die nie ernsthaft ihre Vergangenheit reflektiert haben und darum mit ihr auch nicht abschließen konnten.

Goebbels war der Kino-Schönheit rettungslos verfallen
Der Aufstieg und das Ende des Reichspropagandaministers wie auch sein persönlicher Lebensweg spiegeln sich im seinem Verhältnis mit der Baarová. Goebbels war der Kino-Schönheit rettungslos verfallen, wollte seine Frau Magda und die Kinder verlassen und sich scheiden lassen. Doch aus Prestige-gründen musste Hitlers erfolgreicher Macht-Manager dem Druck seines Führers weichen. Die beiden Monologe auf separaten Plätzen der Bühne zeichnen die einzelnen Stationen nach, geben Gedanken und Konflikte preis und fügen sich unmerklich zu einer Art Dialog zwischen den Liebenden.

Dusan David Parizek hat sich in seinen Inszenierungen an der Divadlo Komedie, dem Prager Kammertheater, wie am Hamburger Schauspielhaus als ingeniöser Meister einer dem Wort nachspürenden, es verdichtenden und zugleich aufschlüsselnden Regie erwiesen. Er eröffnete zwei Spielzeiten an der Kirchenallee mit Kleists „Die Hermannsschlacht“ und Schillers „Kabale und Liebe“. 2009 brachte er Büchners „Dantons Tod“ heraus. Und inszeniert kommende Saison Goethes „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“.

Kleine Anekdote am Rande: Lida Baarová hat nach ihrer Flucht aus der Tschechoslowakei an Theatern in Österreich und Deutschland gespielt. Sie ist auch im „Götz“ bei den Burgfestspielen Jagsthausen aufgetreten. So schließt sich der Kreis in den internationalen Kultur-Beziehungen.
 
Klaus Witzeling, Hamburger Abendblatt, 11. Juni 2010

 
 

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